Montag, Juni 25, 2012

Zum Abschuss des türkischen Kampfjets

Nachdem die Türkei einräumte, den syrischen Luftraum mit einem Kampfjet verletzt zu haben und Syrien den Abschuss der Maschine bedauerte, macht die türkische Regierung den Zwischenfall für die morgige NATO-Tagung zum Thema. Die Türkei wirft Syrien vor, das Kampfflugzeug habe sich auf einem Testflug befunden, versehentlich den syrischen Luftraum verletzt, sei erkennbar unbewaffnet gewesen und von türkischer Seite zum Abdrehen aufgefordert worden, dennoch von Syrien ohne Warnung in internationalem Luftraum angegriffen worden, was sich durch den Wrackfund in internationalen Gewässern 13 Seemeilen vor der syrischen Küste bestätige. Exakte Koordinaten wurden bislang nicht genannt.
Jeder dieser Vorwürfe scheint untersuchungsfähig und untersuchungswürdig, so dass diese Untersuchung zunächst stattfinden müsste, bevor eine abschließende Beurteilung möglich ist.

Trotzdem lässt sich schon immer allgemein dazu sagen, dass es in angespannten Zeiten besonders darauf ankommen muss, militärische Aktivitäten auf Abstand zu halten, um versehentliche Provokationen und Missverständnisse zu vermeiden, denn je geringer die Vorwarnzeiten, desto schwerer können sich kleinste Fehler auswirken und militärische Eigendynamik entfalten. - Dieses Risiko ist allgemein bekannt, so auch der Türkei, Syrien und der NATO. Nur werden noch immer keine ernsthaften Konsequenzen daraus gezogen, wie es beispielsweise mit Verabredung von militärischen Flugverbotszonen an Grenzen mühelos möglich wäre.

Markus Rabanus >> Friedensforum

Montag, Juni 11, 2012

Russland und NATO wie im Kalten Krieg

Seit Jahren herrscht Streit zwischen NATO und Russland um das von der NATO forcierte Raketenabwehrprogramm. Die NATO beteuert zwar, dass sich dieses Rüstungsprojekt nicht gegen Russland richte, verweigert Russland jedoch gemeinsame Kommandostrukturen und verschafft sich auf diese Weise einseitig militärische Fähigkeiten - obendrein im Zuge der NATO-Osterweiterung unter Einbeziehung der Territorien ehemaliger Ostblockstaaten.
Die Situation scheint verfahren, denn auf beiden Seiten dieses Konflikts agieren Regierungen in den Traditionen des Kalten Krieges, wollen sich gegenseitig vor vollendete Tatsachen stellen, ohne innenpolitisch auf nennenswerten Widerstand zu stoßen. So versagten auch SPD und GRÜNE in dieser Problematik seit Jahren, so dass die Friedensforschung und Friedensbewegung weitgehend isoliert sind, während zunehmend auch deutsche Rüstungsunternehmen Projektbeteiligung suchen und finden.
Derweil eskaliert der Streit in Richtung Wettrüsten und zu militärischen Drohgebärden, denn Moskau will sich die Schlagfähigkeiten erhalten, reaktivierte mit den strategischen Bombern die teuren und gleichermaßen gefährlichen Fernflüge und testete innerhalb von vierzehn Tagen zwei Langstreckenraketen (z.B. "Topol M"), die wegen ihrer semiballistischen Flugbahn nach russischen Angaben jede Raketenabwehr überwinden können.

Markus Rabanus >> Diskussion

Dienstag, Juli 07, 2009

Moskauer Gipfel: "Resetting U.S.-Russia Relations"

Dass die Themenpalette eines Russland-USA-Gipfels groß ist, ist kein Novum, seit Gorbatschow aber endlich auch wieder die Menge an substantiellen und ebenso vernünftigen Vereinbarungen, die darauf schließen lassen, dass dieser Gipfel bestens vorbereitet war und in den richtigen Richtungen Spielräume für Fortschritte in den Gesprächen eröffnete.

Gleichwohl offenbart sich die Grenze aller bilateralen Vernunft genau in ihrer Bilateralität, denn zu wenig wird auf die Vereinten Nationen gesetzt, zu sehr noch an einer Sicherheitsarchitektur gewerkelt, die auf Übereinkünften nationaler Weltmächte basiert, was durchaus sein dürfte und alternativlos realistisch erscheint, aber in der Verpflichtung eines Bewusstseins und Handelns, bloß Provisorium, Hebel- und Hilfskonstruktion für eine zivilisierte Weltgemeinschaft zu sein.

Eine Weltgemeinschaft ist erst dann zivilisiert, wenn sie die in ihr fortlebenden oder auftretenden Konkurrenzen und Konflikte nicht mehr der militärischen Selbstjustiz ihrer Mitglieder überlässt, sondern die entscheidenden Militärkräfte auf Seiten der Vereinten Nationen monopolisiert hat.

Ist solch Wille von Russland und den USA zu erwarten? Im Moment noch nicht, denn auch Obama hat nur insoweit freie Hand, wie der gleichermaßen naive und verbrecherische Bushismus in den USA nachwirkt.
Und Moskau? Auch dort möchte man nicht gleich unter Gleichen sein, wie es die UN-Charta fordert, sondern beansprucht eine Führungsrolle, leitet die nationalen Interessen aus den Zeiten des zaristischen und sowjetischen Imperialismus ab.
Folglich durchlaufen die russisch-amerikanischen Beziehungen Höhen und Tiefen einer anhaltenden Supermachtkonkurrenz, der Definition ausufernder Interessensphären mit Überschneidungen, mal negativer, mal positiver, mal gegensätzlicher Art.

Die Unilateralisierung der Weltsicherheitsstruktur bleibt indes das Interesse Chinas und zahlreicher Zweitligisten, die sich auf den Trittbrettern benachteiligt sehen, was auch bei den Getreuesten nicht ausbleiben kann und die subsidiäre Globalisierung voran bringt.

Ein weiter Weg, aber Wege sind nur so weit, wie man sie kennt und wie schnell man sie geht.

Markus Rabanus >> Diskussion

Freitag, Januar 30, 2009

45. Münchner Sicherheitskonferenz

Die 45. Münchner Sicherheitskonferenz findet vom 6. bis 8. Februar 2009 statt.

Mit Spannung wird erwartet, was der neue US-Vizepräsident Joe Biden an neuer US-Politik vorlegt. Und ich bin gespannt, ob es die Richtung nimmt, wie in der Vorjahreskritik formuliert >> www.inidia.de/sicherheitskonferenz2008.htm
Außerdem werde Kissinger zur Nuklearwaffenproblematik referieren. Kissinger hatte sich vor einigen Monaten gemeinsam mit anderen hochrangigen Politik-Rentnern für eine atomwaffenfreie Welt ausgesprochen. Ob sich die im Amt befindlichen Politiker von solch späten Einsichten leiten lassen werden?
Zur weiteren Beobachtung >> www.securityconference.de
Soeben beim Organisationskomitee telefonisch angefragt, ob auch arabische Referenten geladen sind, konnte das nicht beantwortet werden. Erst am Dienstag liege die Einladungsliste vor. Folglich werden es allenfalls arabische Zaungäste sein, denn für Referate wäre die Vorbereitungszeit zu kurz. Schade. - Vielleicht muss sich am Konferenz-Format etwas ändern, wenn den Erstligisten die Zweitligisten zu langweilig sind, denn das eine funktioniert nicht ohne das andere - und dürfte kaum sein oder um so vieles besser, dass es durch die Zweitligisten legitimierter wäre.
- markus rabanus- >> Diskussion
Eine kritische Kommentierung der staatlichen Sicherheitskonferenz ist von der Internationalen Münchner Friedenskonferenz zu erwarten, die vom
6. - 8. Februar 2009 stattfindet >> www.friedenskonferenz.info

Dienstag, Mai 27, 2008

Doku: Rede Steinmeiers auf NATO-Tagung

Rede des Bundesaußenministers Frank-Walter Steinmeier bei der Plenarsitzung der Frühjahrstagung der Parlamentarischen Versammlung der NATO am 27. Mai 2008

-- Es gilt das gesprochene Wort --
Sehr geehrter Herr Bundestagspräsident,
sehr geehrter Herr Präsident der Parlamentarischen Versammlung der NATO,
sehr geehrter Herr NATO-Generalsekretär, lieber Jaap,
sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete und Senatoren,

fast zwanzig Jahre sind es jetzt her, dass in dieser Stadt und gleich hinter diesem Reichstag die Mauer gefallen ist. Gleich hier nebenan, keine 50 Meter von unseren Sitzen entfernt, sind sich die Menschen im November 1989 in die Arme gefallen, haben getanzt und gefeiert. Der Kalte Krieg zwischen den politischen Blöcken war nach 40 Jahren endlich zu Ende. Das war auch ein großer Sieg der Transatlantischen Partnerschaft und der NATO!

Wenn die Schulklassen heute Berlin besuchen, finden sie höchstens noch ein paar Reste der Mauer in Gedenkstätten und Museen. Und die Kreuze für die Menschen, die hier gleich nebenan zwischen 1961 und 1989 bei der Flucht erschossen wurden, wirken auf die jungen Menschen von heute fast schon wie Mahnmale aus einer versunkenen Zeit.

Was ich sagen will: Die jungen Leute wachsen heute in einer neuen Zeit auf, in einem geeinten Europa, in einer Welt mit immer weniger Grenzen – und in einer Welt, in der das Bewusstsein dafür wächst, dass die drängenden Probleme nur noch global und gemeinsam gelöst werden können.

Anrede,
Was bedeutet das für die NATO? Welche Rolle spielt sie im neuen Zeitalter, das seit dem Fall der Mauer angebrochen ist? Das sind die Fragen, die wir seither in vielen Gesprächen und Konferenzen miteinander besprechen, auch bei dieser Parlamentarischen Versammlung. Ich möchte hier sagen: Ihre Arbeit, die parlamentarische Begleitung der NATO, trägt entscheidend dazu bei, dass die Arbeit dieser Organisation gestärkt und immer wieder demokratisch verankert wird. Dafür will ich Ihnen meinen herzlichen Dank sagen!

Anrede,
wenn uns gemeinsam eines von den Schülerinnen und Schülern unterscheidet, die erst nach dem Ende des Kalten Krieges geboren sind, dann ist es vielleicht dieses: Uns allen fällt es, anders als den jungen Leuten, längst nicht so leicht, von der Phase des Blockdenkens, das uns und unsere Jugendjahre geprägt hat, umzuschalten in das Zeitalter gemeinsamer globaler Verantwortung. Darum sage ich: Die wichtigste Aufgabe ist, dass wir alle miteinander unsere Denkmuster, die noch teilweise aus den Zeiten des Kalten Krieges stammen, schrittweise überwinden. Denkmuster, die uns im Unterbewusstsein weiter verfolgen. Mauerreste in den Köpfen, die uns den Blick verstellen für die Möglichkeiten, die in der Kooperation und in der Zusammenarbeit über historische und kulturelle Traditionen hinweg liegen. Wir brauchen diese Kooperation, weil wir die wichtigen Zukunftsfragen dieser Welt nur gemeinsam lösen können!

Wie schwer es ist, solche Denkmuster zu überwinden, das wissen wir Deutsche aus eigener Erfahrung. Die Menschen in unserem Land haben in den letzten 15 Jahren einen weiten Weg zurückgelegt. Vielen ist es schwer gefallen, und fällt es weiterhin schwer zu verinnerlichen, dass die Lehre aus zwei Weltkriegen eben nicht bedeutet, sich aus internationalen Konflikten herauszuhalten. Vielen fällt es nicht leicht zu akzeptieren, dass umgekehrt im Extremfall, wenn andere Mittel nicht zur Verfügung stehen, internationale Verantwortung auch durch den Einsatz militärischer Mittel wahrzunehmen ist.

Auch in anderen Ländern des Bündnisses sind Lernprozesse erkennbar in Gang gekommen. Zum Beispiel wächst die Einsicht, dass Demokratie und Rechtstaatlichkeit sich nicht einfach militärisch erzwingen lassen; dass sie zwar notwendige, aber nicht hinreichende Grundlagen für Sicherheit und Frieden sind.

Aber trotz dieser Such- und Lernprozesse, die ich hier nur kurz angerissen habe, können wir auf eines gemeinsam stolz sein: Die NATO beweist bis heute ganz praktisch, warum sie ein unverzichtbares Bündnis für Frieden, Freiheit und Stabilität ist. Dazu reicht schon ein Blick auf den Balkan. Unser gemeinsames Engagement in Bosnien aber auch im Kosovo – in der Kombination von militärischem Schutz auf der einen Seite und zivilem Wiederaufbau auf der anderen Seite - hat der Region ein Mehr an Frieden und an Sicherheit und langfristig auch wachsende wirtschaftliche Stabilität gebracht.

Nach demselben zivil-militärischen Konzept arbeiten wir auch in Afghanistan zusammen. Im Unterschied zum Westbalkan können wir hier leider noch nicht feststellen, dass die Waffen schweigen. Militärisches Engagement bleibt notwendig - und Deutschland leistet als drittgrößter Truppensteller einen für den Erfolg der Gesamtoperation wichtigen Beitrag.

Die Nordregion, für die wir Verantwortung tragen, ist nicht die Oase des Friedens, als die sie manchmal geschildert wird. Und wir sind, wie der Tornadoeinsatz und zuletzt die Übernahme der Verantwortung für die Quick Reaction Force zeigt, durchaus in der Lage, auch auf veränderte militärische Aufgabenprofile zu reagieren.

Das ist nicht selbstverständlich und muss in jedem Einzelfall gegenüber Bundestag und Öffentlichkeit neu begründet werden. Einer Öffentlichkeit, die diesem Einsatz durchaus mit einiger Skepsis gegenüber steht! Ich habe darauf in den letzten Jahre viel politische Kraft verwendet – und möchte auch heute ausdrücklich all denen danken, die mich dabei unterstützt haben.

Klar ist aber auch: militärische Logik allein führt nicht zum Ziel. Wir müssen einen politischen Gesamtansatz verfolgen, der den Afghanen zeigt, dass ihnen unser Engagement für Frieden und Stabilität nutzt und letztlich auch Wohlstand bringt. Nur so wird es uns gelingen, Skeptiker in der Bevölkerung auf unsere Seite zu ziehen und die unversöhnlichen Teile der Taliban von der Masse der Bevölkerung zu isolieren.

Darum wird es demnächst auf der Afghanistan-Konferenz in Paris gehen, einer Konferenz von der wir uns Impulse erhoffen, wie wir auf dem Weg zu einer stärkeren Afghan ownership vorankommen können. Ich bin mir mit meinem französischen Kollegen einig: dazu reicht eine reine Pledging-Konferenz nicht aus. Wir brauchen vielmehr eine politische Konferenz für eine kritische Bestandsaufnahme und wir brauchen belastbare Absprachen zwischen der afghanischen Regierung und der internationalen Gemeinschaft.

Anrede,

die Charta von Paris, auf die sich die Staaten der KSZE 1990 verständigt haben, enthält ein klares Bekenntnis zu Demokratie und Menschenrechten. Aber nicht nur das: sie richtet auch im sicherheitspolitischen Bereich einen Maßstab auf, der bis heute gültig ist.

Hier heißt es: „Sicherheit ist unteilbar, und die Sicherheit jedes Teilnehmerstaates ist untrennbar mit der aller anderen verbunden. Wir verpflichten uns daher, bei der Festigung von Vertrauen und Sicherheit untereinander sowie bei der Förderung der Rüstungskontrolle und Abrüstung zusammenzuarbeiten.“

Die Welt hat sich seitdem verändert. Neue Spieler sind aufgetaucht und haben ihre Ansprüche angemeldet. Und viele fragen: Ist die große Vision eines gemeinsamen Raumes der Sicherheit von Vancouver bis Wladiwostok nicht längst ein Opfer der neuen Unübersichtlichkeit geworden?

Ich glaube nein! Ich glaube, ganz im Gegenteil, dass wir die historische Erfahrung von Blockkonfrontation und ihrer Überwindung neu fruchtbar machen müssen. Oder um es mit den Worten meines geschätzten Vorgängers Hans-Dietrich Genscher zu sagen: „In einer interdependenten Welt ist Zusammenarbeit das Schlüsselwort für alle Bereiche. Das verlangt Verantwortungspolitik anstelle der Machtpolitik von gestern.“

Das führt mich zu zwei Konsequenzen, die ich Ihnen kurz skizzieren will:

Die erste Konsequenz ist, dass wir Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung auch innerhalb der Allianz wieder den Stellenwert geben sollten, den sie mindestens seit dem Harmel-Bericht gehabt haben.

Deshalb habe ich gemeinsam mit meinem norwegischen Kollegen im vergangenen Jahr eine Initiative in der NATO zur Schärfung ihres abrüstungspolitischen Profils angestoßen, die in das Ergebnis des Bukarester Gipfels eingeflossen ist.

Denn Rüstungskontrolle, Abrüstung und Nichtverbreitung sind keineswegs Themen von gestern. Sie werden mehr und mehr Überlebensfragen von morgen werden!

Immer mehr Staaten streben nach Zugang zu nuklearer Technologie. Immer mehr Staaten sind damit zumindest theoretisch in der Lage, Atomwaffen zu bauen. Wenn es uns in den nächsten Jahren nicht gelingt, Antworten zu finden, die eine militärische Nutzung wirksam ausschließen, droht weltweit eine neue nukleare Rüstungsspirale – mit unabsehbaren Folgen.

Ein Weg wäre beispielsweise die Errichtung eines multilateralen Anreicherungszentrums unter der Kontrolle der IAEO – Deutschland hat dazu einen konkreten Vorschlag gemacht. Andere Staaten – Großbritannien, auch Russland - haben eigene Vorstellungen entwickelt, die jetzt innerhalb der IAEO weiter geprüft werden.

Auch in den USA deutet sich an, dass Fragen der Abrüstung und Non-Proliferation eine neue Renaissance erleben könnten.

Das gilt auch für den Bereich konventioneller Waffen. Bei meinen Gesprächen mit der neuen russischen Führung habe ich den Eindruck gewonnen, dass auch über den KSE-Vertrag noch nicht das letzte Wort gesprochen ist, sondern es sich lohne würde, vorhandene Spielräume auszuloten und sowohl auf Experten- als auch auf politischer Ebene im Gespräch zu bleiben.

Und damit bin ich auch schon bei meiner zweiten Konsequenz angekommen. Bei aller kritischen Distanz, die auch ich angesichts mancher Entwicklung in Russland habe, dürfen wir eins nicht übersehen: Wir brauchen Russland – für den Erhalt von Frieden und Stabilität im transatlantisch-eurasischen Raum, bei der Lösung von Konflikten weltweit und bei der Begegnung globaler Herausforderungen.

Der neue Präsident, mit dem ich vor wenigen Tagen in Moskau Gelegenheit hatte zu sprechen, hat sich in den Gesprächen und in seinen ersten öffentlichen Äußerungen zu einer kooperativen Außenpolitik bekannt. Ich plädiere sehr dafür, dass wir Präsident Medwedew beim Wort nehmen und ihm Kooperation anbieten!

Russland wird auch in Zukunft ein schwieriger, manchmal auch unbequemer Partner bleiben. Aber auch mit schwierigen Partnern kann man am Ende zu belastbaren Absprachen kommen.

Mit dem NATO-Russland-Rat verfügen das Bündnis und Russland über ein gemeinsames Gremium, das von beiden Seiten geschätzt wird, dessen Möglichkeiten wir aber noch lange nicht ausgeschöpft haben.

Lassen Sie mich am Ende ein grundsätzliches Wort zu den schwierigen Fragen sagen, die uns in den letzten Monaten beschäftigt haben und die sicher auch in ihrer Diskussion in den vergangenen Tagen eine Rolle gespielt haben: ich spreche von der Raketenabwehr und der NATO-Erweiterung um Georgien und die Ukraine.

Ich sage vorab: Natürlich ist es Aufgabe des Bündnisses, auf neue Sicherheitsbedrohungen auch neue gemeinsame Antworten zu suchen. Und natürlich hat kein Land ein Vetorecht, wenn es um die NATO-Mitgliedschaft geht.
Dennoch – und das hat die Diskussion in Bukarest gezeigt - sind wir gut beraten, bei all diesen Entscheidungen den Gesamtkontext nicht aus dem Blick zu verlieren.

„Sicherheit ist unteilbar.“. Dieser Satz aus der Charta von Paris, an den ich erinnert habe, ist ausdrücklich nicht als harte Einschränkung nationaler Entscheidungsfreiheit gemeint. Wohl aber als Aufforderung, bei jedem einzelnen Schritt zu bedenken, was die Konsequenzen für die gemeinsame Sicherheit sind.

In Bukarest haben wir an die Ukraine und Georgien ein starkes, unmissverständliches Signal zur Perspektive ihrer Mitgliedschaft gesandt. Und ein Signal, dass wir sie auf diesem Weg begleiten wollen. Wir haben Ihnen gesagt, dass es dabei vor allem um Nachhaltigkeit, Belastbarkeit und Stabilität der politischen Entwicklung in den beiden Ländern geht.

Unsere gemeinsame Aufgabe besteht jetzt darin, dass auch die Bevölkerungen in den betroffenen Länder diesen Weg mitgehen, und dass wir alle am Ende ein Mehr an Sicherheit erhalten und nicht ein Minus.

Das ist eine anspruchsvolle Aufgabe, aber ich bin zuversichtlich, dass wir innerhalb des Bündnisses zu guten Entscheidungen kommen werden.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

Montag, Februar 11, 2008

"Frieden durch Verträge" wäre Sicherheitspolitik

Die Münchner Konferenz für Sicherheitspolitik steht traditionell unter dem Motto "Frieden durch Dialog", aber Iran, Nordkorea und kein einziges arabisches oder afrikanisches Land war auf der Konferenz vertreten, geschweige denn Vertreter des "Internationalen Terrorismus", denen der Dialog angeboten werden müsste, wenn das Motto seriös gemeint wäre und nicht nur als schmucke Weltfremde heutiger Weltpolitik.

Und trotzdem war die Konferenz wichtig, denn immerhin leistete sie auch dieses Mal recht offene Aussprache zwischen den Weltstärksten. War Fort- oder Rückschritt gegenüber der Vorjahreskonferenz? Allemal Meinungsverschiedenheiten, die in wirtschaftlicher und noch immer auch militärischer Konkurrenz regional und global ihre Gründe haben. Darum waren eingeladen: Blackwill von Barbour Griffith & Rogers (Lobbyismus als Geschäftsidee), Bischoff von der Daimler AG (hat immer schon etwas mehr als die A-Klasse im Sortiment), Manager von Ford Motor Company, EADS u.a., denen die militärische Konkurrenz die Auftragsbücher füllt, so auch die Nato-Osterweiterung, was Moskaus neue Elite zutiefst bedauert, ebenfalls weniger aus ideologischen oder sicherheitspolitischen Sorgen. - Es wäre schön, wenn diese These widerlegt würde, aber das kann nur auf nachstehende Weise gelingen.

Forderungen anlässlich der 44. Münchner Sicherheitskonferenz (200802)

1. Wenn sich Russland, NATO und China gegenseitig nicht mehr bedrohen wollen, wie sie behaupten, so könnten und müssten sie ihre Kommandoebenen für alle strategischen Waffen vereinen, sonst ist es nur Gerede; und das Misstrauen samt Wettrüsten bleibt.

2. Wenn NATO, China und Russland von sich behaupten, sie seien demokratisch, so sollen sie einsehen, dass niemand von ihnen militärische "Weltpolitik machen" darf, ohne die Zustimmung der Welt dafür zu haben, denn das Kriegsrecht liegt laut gemeinsamer Charta einzig bei den Vereinten Nationen. Deshalb sollen alle Staaten und Allianzen ihre Militärs in die eigenen Grenzen rückholen oder dem Kommando desjenigen Auslands unterstellen, wo und solange sie sich dort ohne Zustimmung der UNO befinden; und wenn ihre militärischen Kräfte in internationalen Gewässern oder internationalem Luftraum sind, dann sollen sie den Vereinten Nationen unterstehen, solange sie nicht in das eigene Hoheitsgebiet zurückbeordert sind.

3. Wenn die USA, Russland, China oder ein sonstiges Atomwaffenland von anderen Staaten Atomwaffenverzicht verlangen, so ist das zwar unbedingt richtig, aber falsch daran ist, wenn sie nicht selbst im Wege von Kontrollverträgen nach weltweiter, also auch eigener Atomwaffenfreiheit streben, wozu sie aus Artikel 6 des Atomwaffensperrvertrags ohnehin verpflichtet sind und durch die Weigerung der unterzeichneten Atomwaffenstaaten die Weiterverbreitung von Atomwaffen verschulden.

4. Die Mindestforderungen an alle Atomwaffenstaaten lauten:

a) Abzug aller Atomwaffen aus Nichtatomwaffenstaaten.

b) Zurückbeorderung aller Atomwaffen aus internationalen Gewässern und internationalem Luftraum.

c) Garantieerklärung an alle Nichtatomwaffenstaaten, dass gegen sie unter keinen, absolut keinen Umständen Atomwaffen zum Einsatz kommen, so dass die Nichtatomwaffenstaaten durch ihren Atomwaffenverzicht sicherer sind und sich nicht atomar erpresst fühlen.

d) Garantieerklärung aller Atomwaffenstaaten, dass sie ihre Atomwaffenarsenale so drastisch reduzieren, dass durch deren Einsatz die Verstrahlung kriegunbeteiligter Staaten unterbleibt.

e) Gegenseitige Garantieerklärung aller Atomwaffenstaaten, dass sie auf jegliche Strategie eines atomaren oder "präventiv" atomaren Erstschlags verzichten, obwohl auch die Zweitschlagsstrategie und jede Massenvernichtung aus Perspektive einer zivilisierten Kultur nicht weniger menschenverachtend als die Erstschlagsstrategie ist, aber etwas glaubwürdiger macht, dass man den Atomkrieg nicht will.

5. Aufnahme zu Verhandlungen und keine Unterbrechung, bis solche Verträge geschlossen und in kontrollierbare Realität umgesetzt sind. Alles andere bliebe Geschwätz, bewahrt Misstrauen und Wettrüsten, wie es das immer schon gab - und zum Krieg führte.

"Frieden durch Dialog" - klingt gut, aber reicht schon zu bloßer Sicherheit nicht, denn für die Sicherheit braucht es Verträge, bilateral, multilateral - und zwar im Einklang mit den Vereinten Nationen.

Niemand der Münchner Konferenzteilnehmer ist so dumm, nicht um die Bedeutung von Verträgen zu wissen und um die Methoden zu deren Verifizierbarkeit, aber kaum jemand von ihnen wird Verträge schließen, die sie in ihrer eigenen Macht beschränken, weil die Bevölkerungen so dumm sind, Politikern den Frieden anzuvertrauen, die es an "Dialog" und "Talkshows" nicht fehlen lassen, aber an hinreichenden Verträgen, wie es ihre Aufgabe wäre.

-markus rabanus- >> Diskussion

Mittwoch, Juli 27, 2005

Risikofaktor: Piloten

Am vergangenen Freitag.

Was ist geschehen? Und schnell ist es erzählt:

Nach einer Ehe-Tragödie (Mord an seiner Frau) begeht ein Kleinflugzeug-Pilot ein spektakuläres Ende durch Absturz auf dem Reichstagsgelände.

Was hätte passieren können? Nicht viel:

Wäre das Leichtflugzeug in die Glaskuppel des Reichstags gestürzt, so hätte der Absturz zwar Menschenleben gekostet und Schäden gebracht, aber eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland konnte aus solchem Zwischenfall nicht erwachsen. Trotzdem reagiert die Politik mit populistischer Schärfe:

1. Über Großteile der Hauptstadt soll nun ein Flugverbot für Privatflugzeuge verhängt werden.

2. Im Hinblick auf die Fußball-Weltmeisterschaft werden jetzt solche Flugverbote über sämtlichen Spielorten diskutiert. - Ländersache.

3. Bayerns Innenminister Beckstein (CSU) fordert erneut Einsatzmöglichkeiten der Bundeswehr im Innern. So hält auch SPD-"Innenexperte" Dieter Wiefelspütz hält "eine Flugbereitschaft der Bundeswehr mit Kampfhubschraubern in Berlin" für nötig.

Kanzlerkandidatin Angela Merkel erklärt im Stil ihres Wahlprogramms, dass solche Überlegungen bei entsprechender Gefahr "kein Tabu" sein dürfen. - Hatte ihr jemand das Denken verboten? Den Eindruck habe ich zuweilen. Aber nicht nur bei ihr.

Nun zur Ausgangsfrage des Threads: Was unterscheidet Kampfflugzeug-Piloten von dem Leichtflugzeug-Piloten?
Weniger Stress in der Ehe? Weniger Gewaltbereitschaft zur Krisenbewältigung?

Was unterscheidet ein Kampfflugzeug von einem Leichtflugzeug? Geschwindigkeit und Bewaffnung.
Ein Kräftemessen mit BW-Kampfhubschraubern über dem Regierungsviertel würde gewiss mehr Aufsehen erregen.

Ich bin noch immer gegen das Bombodrom in Vier-Minuten-Entfernung.

Grüße von Sven
www.inidia.de/bombodrom.htm

Donnerstag, Juli 21, 2005

Begriffswandel

Was ist Sicherheit? Was ist Sicherheitspolitik?

Sicherheit, ganz allgemein, ist ein Zustand mit subjektiver und objektiver Seite, der also auch suggeriert und eingebildet sein kann. Wie auch umgekehrt die Bedrohungssituation objektiv oder nur eingebildet sein kann.

Der Begriff Sicherheitspolitik scheint mir rückblickend "neu", jedenfalls nahm ich ihn trotz politischer Interessiertheit in den Siebzigern nicht wahr. Immer wieder auch erlebte ich politische Begriffe kommen und gehen. Was also hat es auf sich mit dem Begriff "Sicherheitspolitik"?

Warum und wann entstand er bzw. wann/warum wurde er wichtig und wer nutzt ihn?

Benutzt wurde der Begriff Sicherheitspolitik zunächst von Verteidigungs- und Außenpolitikexperten benutzt. Spätestens seit den Terroranschlägen vom 11.9.2001 ist es auch ein Begriff der Innenpolitik, in der schon vorher immerhin von "innerer Sicherheit" die Rede war.

Der Begriff Sicherheit hat gegenüber dem Begriff Verteidigung einen weiteren Blickwinkel. Das ist positiv, denn Verteidigungsfälle, ob im Innern oder durch Angriff seitens anderer Staaten ergeben sich nicht als aus heiterem Himmel fallend, sondern bahnen sich an, erreichen kritische Dimension, eskalieren, wenn es nicht erkannt und gehindert wird.

Negativ an der Konjunktur des Begriffs Sicherheitspolitik aber ist, dass er in einem offensiven Kontext steht, wie er in der Politik des "präventiven Verteidigungskrieges" gegen den Irak seinen vorläufigen Höhepunkt fand.
Negativ also, dass der Blickwinkel sich nicht in Richtung zivile bzw. demokratische Intervention erweiterte, sondern militärisch und damit die völkerrechtlich bedeutsame Unterscheidung zwischen offensiven und defensiven Kriegshandlungen verwischt.

Bis hierher haben wir also eine im Vergleich zum Begriff Verteidungspolitik eine bereits zweifache Mehrdimensionierung des Begriffs Sicherheitspolitik:
1. Verbreiterung in der entwicklungsartigen Problembetrachtung (positiv),
2. Verbreiterung in der reaktiven Problembehandlung (negativ, sofern das verstärkt militärischen anstelle von zivilen Problembehandlungen führt.

Als 3. Weiterungsmoment der Sicherheitspolitik gegenüber der Verteidigungspolitk ist die gegenseitige Integration von Innen- und Außenpolitik bzw. von Innen- und Außenverteidigung wahrzunehmen.

Auch das ist zwar nicht prinzipiell neu, wohl aber für die demokratischen Staaten, denn die Aufgabenvermengung von Geheimdiensten, Polizei und Militär war vor dem 11.9.2001 eher ein Charakteristikum für Militärdiktaturen, während es von der Bush-Regierung mit dem Homeland-Ministerium rasch als Reaktion auf Terroranschläge und Milzbrand-Hysterie umgesetzt wurde und Nachahmung in den anderen Industrienationen findet.

Die schlimmst mögliche Interpretation solcher Entwicklung und der Sicherheitspolitik scheint mir die, dass die demokratischen Staaten mit der von ihnen selbst forcierten Globalisierung nicht klar kommen, in deren Folge ohnehin Außen- und Innenpolitik abnehmend unterscheidbar sind - und nun verstärkt nach Möglichkeiten suchen, die in globalen Märkten sich ebenfalls global entwickelnden politischen Krisen in den Griff zu bekommen.
Zwar werden wir vermutlich nicht zu uralten Begriffen wie "Kriegsministerium" zurückkehren, aber die Tendenzen den Krieg auch eigenbegrifflich wieder salonfähiger zu machen, sind unübersehbar. Der "Krieg gegen den Terror" ist nur das prominenteste Beispiel dafür, offensive Vorläufer war die Behauptung "vitaler Interessen" (außerhalb des eigenen Territoriums), das Umrüstungsprogramm auf "Schnelle Eingreiftruppen", der "präventive Verteidigungskrieg" usw.

Diese Entwicklung hin zum Kriegerischen erfährt auch im subjektiven Unterbau der Gesellschaft Festigung. Neubegriffe wie "feindliche Übernahme" (Sprachbereich: Aktiengesellschaften), die "Nulltoleranz", die Behauptung einer "gescheiterten Integrationspolitik" - all das spiegelt einen sich verbreitenden Politik-Pessimismus wider und erhöht die Bereitschaft zur Konflikteröffnung anstelle von Deeskalation, die mittlerweile als Schönfärberei oder gar als Kumpanei mit Terrorismus und Schurkensystem diffamiert mit.

Diese Tendenz zur Verrohung der allgemeinen und der politischen Sprache setzt sich in das militärische Denken fort mit dort ganz anderen Kalibern und finanziellem Aufwand, der immer weniger Mittel für die zivile Weltentwicklung übrig lässt und dadurch Spannungen vergrößert.
Diese Tendenzen können nicht anders als "reaktionär" bezeichnet werden: mehr Polarisierung, weniger differenzierte Problemwahrnehmung bzw. Problembehandlung, weniger Zivilität, mehr Militärisches.
Das ist bedauerlich, denn mit dem Ende des Ost-West-Konflikts waren die Möglichkeiten gut, um einer zivilen Sicherheitspolitik den absoluten Vorrang zu gewährleisten, also beispielsweise die UNO zu reformieren und zum Garanten der internationalen Sicherheit aufzupäppeln.
Ungenutzt blieb diese Chance bislang, weil die Großmächte eine solche Entwicklung blockierten, um sich ihren weitgehenden Handlungsfreiheiten keine Hemmnisse zu errichten.
Ungenutzt blieb diese Chance bislang aber auch, weil die militärisch weniger bedeutsamen Staaten diesen Kurs der Großmächte mittrugen, mindestens aber nicht energisch i.S.v. diplomatisch arbeitsam genug auf die Großmächte einwirkten.

Der Begriff "Sicherheitspolitik" ist alles in allem richtig, wenn er die Zusammenschau von Problemanbahnung zur Vermeidung von Verteidigungsfällen bedeutet, aber deutlich muss eben sein, dass wenn beispielsweise die Innen- und Außenpolitik zu einem Handlungsfeld verschmelzen, dann auch die legitimatorische Grundlage erweitert gehört.
Folglich müssen die Mitspracherechte aller Staaten gefördert werden:
- Verzicht der Großmächte auf ihre Privilegien in der UNO,
- Abbau von weltwirtschaftsprotektionistischen Subventionen solcher Industrien, die konkurrenzfähig in Entwicklungsländern entstehen würden, ...

Das ist schwierig, denn die Entwicklung der Entwicklungsländer wäre kein ausschließlich innenpolitisches Ereignis für beispielsweise die Menschen im Kongo, sondern zugleich die Entstehung einer Konkurrenz auf dem Weltmarkt - und schon immer "belebte die Konkurrenz das Geschäft" nicht nur, sondern ließ auch so manches sterben. Steht in Europa der eigene Arbeitsplatz auf dem Spiel, so wachsen nicht nur hier die multikulturellen, mindestens "interkulturellen" Spannungen, sondern auch die internationalen Spannungen.

Das wäre ein Horrorszenario nicht zuletzt deshalb, weil in den letzten Jahren einige Staaten in den Besitz von Atomwaffen kamen, die wenig demokratische Bremse im Innern haben.

Eine Sicherheitspolitik gegen internationale Konflikte kann eigentlich nur antinationaler Qualität sein, um den Staaten die Fähigkeit und Legitimation zur Konflikteröffnung zu nehmen.

Aber auch solche an den Zug der wirtschaftlichen Globalisierung angehängte Weltrepublikanisierung würde zwar die Nationen Bedeutung kosten, nicht aber wären damit zugleich Interregionalismus und Kulturismus als Probleme gelöst.
Auch hierzu muss Sicherheitspolitik Arbeit leisten - und wenn schon im halbwegs geordneten Deutschland das Handtuch hinsichtlich multikulturelle Gesellschaft geworfen würde, so käme die Globalisierung besser gestern als heute vom Tisch, was jedoch tatsächlich Unfug ist, denn sie lässt sich nicht rückabwickeln, sondern will gemeistert werden.

Geschieht das nicht für alle Welt spürbar und glaubwürdig, dann geraten die Wirtschaftsstarken in den Verdacht neokolonialistischer Absichten, was tatsächlich weitverbreitete Anschauung in vielen Teilen Welt ist und den regionalen Terrorismus eine sich zunehmend internationalisierende Entwicklung erleichtert.
Das wiederum würde jede Sicherheitspolitik zumindest für die Zivilbevölkerung allerorten illusorisch werden lassen, denn die Terrorismus-Bekämpfung kann wenig zum Schutz "weicher Ziele" auf die Beine stellen.

Sicherheit ist ein umfassender Zustand, ein umfassendes Empfinden, denn es könnten um einen herum zehntausend liebe Menschen stehen, aber stünde nur einer daneben, der zustechen kann und will, so wäre die Sicherheit auch zwischen den zehntausend lieben Menschen für den Bedrohten dahin.

So umfassend würde der Begriff Sicherheitspolitik beliebig ausufern lassen und alle Politik wäre fortan nur noch "Sicherheitspolitik". Das wäre die Hysterisierung der Politik und Gesellschaft.

Demokratische Politik sollte demgegenüber reserviert sein, denn die Arbeitsteiligkeit ziviler Gesellschaften sind im Unterschied zu militärischen Gesellschaften vor allem durch die Prinzipien des Nebeneinanders und der Subsidiarität geordnet und nicht hierarchisch totalitär.

Daraus folgt, dass die Verantwortung für die Sicherheitspolitik als gemeinsame Verantwortung aller Ressorts verstanden und kollegial wahrgenommen wird. Bestrebungen nach einem alles überragenden und vereinnahmenden "Heimatschutzministerium" sind auch aus diesem Grund zurückzuweisen. Ein weiterer ist der Anachronismus, der in solch Begriff andeutet, sobald "Heimat" sich die Menschen aussuchen will und nicht die Menschen die Heimat aussuchen dürfen.

- sven -

Donnerstag, November 22, 2001

BVerfG: NATO-Konzept

Antrag der PDS in Sachen NATO-Konzept zurückgewiesen - Urteil vom 22. November 2001

Durch Urteil vom heutigen Tage hat der Zweite Senat desBundesverfassungsgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 19. Juni 2001 den Antrag der PDS-Bundestagsfraktion im Organstreitverfahren zurückgewiesen.
Der Hintergrund des Verfahrens ist in der Pressemitteilung Nr. 58/2001vom 5. Juni 2001 dargestellt, die auf der Homepage des Bundesverfassungsgerichts veröffentlicht ist.

Zur Begründung seines Urteils stellt das Bundesverfassungsgericht im Wesentlichen fest:

Der zulässige Antrag ist unbegründet. Die Bundesregierung hat nicht gegen Art. 59 Abs. 2 Satz 1, 24 Abs. 2 GG verstoßen, indem sie dem neuen Strategischen Konzept der NATO von 1999 (im folgenden: Konzept 1999) zugestimmt hat, ohne zuvor die Zustimmung des Bundestages einzuholen.
Das Konzept 1999 stellt keine Änderung des NATO-Vertrages dar (1.) .
Für die Fortentwicklung des Vertrages unterhalb der Schwelle der Vertragsänderung ist eine Zustimmung des Bundestages nicht erforderlich(2.).
Durch die Zustimmung zum Konzept 1999 sind auch weder die Grenzen des Zustimmungsgesetzes zum NATO-Vertrag noch die Zweckbestimmung der NATO als Bündnis der Friedenswahrung überschritten (3.).

1. Der Zweite Senat führt aus, dass ein Wille der Beteiligten, den NATO-Vertrag zu ändern, nicht zu erkennen ist. So ist schon das Fehlen einer Ratifikationsklausel als ein Indiz gegen den Vertragscharakter zuwerten. Zwar wollten alle Beteiligten die Zielsetzung der NATO insbesondere um die sogenannten Krisenreaktionseinsätze über Art. 5NATO-Vertrag hinaus erweitern. Auch aus diesem hochpolitischen Gegenstand kann jedoch nicht auf einen Vertrag geschlossen werden.
Insbesondere der Wortlaut der Vereinbarung spricht gegen die Vertragsnatur, denn der Text des Konzepts 1999 besteht weitgehend aus Lagebeschreibungen und -einschätzungen sowie allgemein gehaltenen Absichtserklärungen. Auch eine konkludente Vertragsänderung liegt nicht vor.
Fehlt es an Anhaltspunkten für einen subjektiven Vertragsänderungswillen bei den Beteiligten, muss ein deutlicher Widerspruch zu dem bereits bestehenden Vertrag vorliegen, um Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG auszulösen. Das ist hier nicht der Fall.
Insbesondere die Erweiterung auf Krisenreaktionseinsätze ist noch eine Fortentwicklung des bestehenden Vertrages. Das Konzept 1999 lässt die kollektive Verteidigungsfunktion des Bündnisses unberührt und schreibt den in der Präambel niedergelegten Sicherheits- und Friedensauftrag in Hinblick auf eine tiefgreifend neue Sicherheitslage fort. Das grundlegende Ziel bleibt die Abwehr und Abschreckung von Aggressionen dritter Staaten. Zwar enthält das Konzept 1999 die im Ursprungsvertrag nicht implizierte Erweiterung auf Krisenreaktionseinsätze außerhalb des Bündnisgebiets. Hier ist das Konzept 1999 gegenüber dem NATO-Konzeptvon 1991 wesentlich verändert worden. Die im NATO-Konzept 1991 noch dominierenden Absichtserklärungen als Ausdruck des politischen Willens der Mitglieder zur Fortentwicklung des Vertrages weichen einer nunmehr konkretisierten Planung.

Der Tatbestand der Krisenreaktionseinsätze verallgemeinert die seit 1994 entwickelten Verfahren innerhalb der Bündnispartner. Dennoch ist eine objektive Vertragsänderung nicht festzustellen, es handelt sich um eine Fortentwicklung und Konkretisierung der offen formulierten Bestimmungen des NATO-Vertrages:
Der Nordatlantikrat erklärt ausdrücklich, Zweck und Wesen desBündnisses blieben unverändert. Zudem sind die gegenseitigen Pflichten bei den sogenannten Krisenreaktionseinsätzen geringer als im Verteidigungsfall; die Mitglieder koordinieren ihre Maßnahmen von Fall zu Fall nach Konsultationen; eine Pflicht zur kollektiven Reaktion besteht nicht und das Primat der Politik sowie das Procedere gelten unverändert.
Insbesondere ist festgelegt, dass die Mitgliedstaaten dabei jeweils auf der Grundlage ihres Verfassungsrechts handeln, weshalb die Bundesregierung bei deutscher Beteiligung an Krisenreaktionseinsätzen die vorherige Zustimmung des Parlaments benötigt. Auch die Ausweitung des Sicherheitsbegriffs auf neue Bedrohungen für die Stabilität im euro-atlantischen Raum und globale Risiken wahrt den Abstand zu der Aufgabe der kollektiven Verteidigung

2. Für eine derartige Fortentwicklung, die keine Vertragsveränderungdarstellt, ist eine Zustimmung des Bundestages nicht erforderlich. Art.59 Abs. 2 Satz 1 GG kann nicht erweiternd ausgelegt werden.
Die Konkretisierung des Vertrages und seine Ausfüllung ist nach dem Grundgesetz Aufgabe der Regierung, die im Bereich der Außenpolitik einen weiten Spielraum hat. Zwar bleibt sie der parlamentarischen Kontrolle unterworfen und an das GG gebunden. Eine Zustimmungspflicht durch das Parlament bei nichtförmlicher Vertragsfortentwicklung würde jedoch nicht nur Rechtsunsicherheit hervorrufen, sondern auch die Handlungsfähigkeit der Regierung ungerechtfertigt beschneiden.
Der Gefahr einer allmählichen Inhaltsveränderung des Vertrages durch derartige nichtförmliche Weiterentwicklungen ist das Parlament dennoch nicht schutzlos ausgeliefert.
Nach dem Grundgesetz kontrolliert das Parlament die Regierung, diese muss nach Art. 43 Abs. 1 GG Rede und Antwort stehen.
In Hinblick auf das Budgetrecht des Parlaments und den Parlamentsvorbehalt für Einsätze der Bundeswehr wird sie für die Fortentwicklung der NATO werben müssen.

3. Das ursprüngliche Gesetz zum NATO-Vertrag ist durch die Zustimmungzum Konzept 1999 nicht überschritten; Art. 24 Abs. 2 GG ist nicht verletzt. Durch die Zustimmung zum NATO-Vertrag ist die Bundesregierung auch zu seiner Fortentwicklung ermächtigt worden. In Rechte des Bundestages greift die Bundesregierung erst ein, wenn sie sich außerhalb dieser ursprünglichen Ermächtigung bewegt. Das ist weder hinsichtlich des Einsatzes von Atomwaffen noch hinsichtlich der Regelungen über Krisenreaktionseinsätze der Fall.

Der NATO-Vertrag strebt eine umfassende regionale Friedenssicherung in Europa und Nordamerika an. Ändert sich das Erscheinungsbild der Bedrohungen, lässt er Spielraum für eine Fortentwicklung, solange nicht grundlegend neue Einsätze vereinbart werden.

Das Konzept 1999 hat die Bindung an die Ziele der NATO, aber auch an die durch die UN-Charta normierten Pflichten nicht aufgegeben, vielmehr ausdrücklich bekräftigt. Die vorgesehene Aufnahme neuer Mitglieder in Europa stellt eine Fortsetzung der Zusammenarbeit mit den Staaten Osteuropas zur Friedenssicherung seit 1994 dar. Die Zweckbestimmung der Friedenswahrung ist durch das Konzept 1999 nicht geändert worden.

Zwar ist im GG nicht ausdrücklich definiert, was unter Friedenswahrung zu verstehen ist. Aus Art. 24 Abs.2 GG folgt aber, dass die kollektive Sicherheit eine entscheidende Voraussetzung dafür ist. Ebenso lässt sich Art. 24 Abs. 2 GG entnehmen, dass Deutschland nicht an einem Bündnis teilnehmen darf, welches nicht dem Frieden dient.
Die Entwicklung eines bereits bestehenden Bündnissystems weg von der Friedenssicherung wäre von dem ursprünglichen Zustimmungsgesetz nicht mehr gedeckt. Das Konzept 1999 enthält aber keine Anhaltspunkte für eine derartige Entwicklung. Die Einsätze sollen nach wie vor ausschließlich in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht erfolgen.
Auf die Art. 42, 48, 53 der UN-Charta wird ausdrücklich weiter hingewiesen. Auch die Konkretisierung der Einsatzvoraussetzungen in und außerhalb des Bündnisgebietes lassen keine Friedensstörungsabsicht erkennen.

Urteil vom 22. November 2001 - Az. 2 BvE 6/99 -Karlsruhe, den 22. November 2001